Kämpfer für die Republik von 1918/19 bis 1933: Das „Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold“ gibt es noch

von Cornelius Zimmermann und Florian Kaiser

Manch einer mag mit der Bezeichnung „Reichsbanner Schwarz-Rot- Gold“ nicht viel anfangen können. „Reichsbanner“? Wenn ein junger Mensch das Reichsbanner überhaupt zur Kenntnis genommen hat, dann meist nur in einem Nebensatz zur Gründung der Eisernen Front. Wer sich darüber informieren möchte, findet wenig wissenschaftliche Literatur. Wo das Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold in Erscheinung tritt, da trifft es auf deswegen Unverständnis, Unwissenheit und Vorurteile. Viele junge Menschen ordnen dem befremdlich klingenden Namen instinktiv sogar einen rechtsradikalen Hintergrund zu, und betrachtet man alte Bilder der uniformierten, im Gleichschritt marschierenden Einheiten, dann drängt sich der Vergleich zur nationalsozialistischen SA auf. Was also war das Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold? Der eine oder andere erinnert sich vielleicht, dass sich hinter dieser Bezeichnung eine Organisation verbirgt, die in den dunkelsten Stunden der deutschen Republik, den Krisenjahren von Weimar, die Waffen gegen die Republikfeinde von rechts und links, gegen SA und Rotfrontkämpferbund erhoben hat. „Längst Geschichte“, wird man dann vielleicht weitervermuten. Aber weit gefehlt, das Reichsbanner wurde 1953 als „Bund aktiver Demokraten e.V.“ wieder gegründet.

Doch zunächst eine Rückblende: Das Reichsbanner in der Weimarer Republik Als Reaktion auf republikfeindliche Gewalttaten und Aufstandsversuche aus dem rechten und linken politischen Spektrum gründete sich auf Initiative der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD) am 22. Februar 1924 in Magdeburg das „Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold“ zum Schutz der parlamentarischen Demokratie. Neben der SPD wurde es von dem Zentrum und der Deutschen Demokratischen Partei (DDP) sowie von den Gewerkschaften getragen. Seine Hauptaufgabe erkannte das Reichsbanner in der Verteidigung der Weimarer Republik gegen deren rechts- und linksextremistischen Feinde. Als satzungsgemäß überparteilicher Bund republikanisch gesinnter Kriegsteilnehmer entwickelte sich das Reichsbanner zu einer der größten Massenorganisationen der Weimarer Republik. 1932 gehörten ihm mehr als drei Millionen Mitglieder an, darunter namhafte Politiker wie Hugo Preuß Joseph Wirth, Otto Wels, Julius Leber und Kurt Schumacher.

Nach dem Wahlerfolg der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) bei der Septemberwahl von 1930 versuchte das Reichsbanner, dem verstärkt einsetzenden Straßenterror der Sturmabteilung (SA) durch die Bildung militärisch organisierter Formationen entgegenzutreten. Bis in den Februar 1933 hinein sollten diesem Kampf 47 Reichsbannerleute zum Opfer fallen. 1931/32 vereinigte sich das Reichsbanner mit den im Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbund (ADGB) organisierten Freien Gewerkschaften und anderen Verbänden zur Eisernen Front. Ihr Emblem mit den charakteristischen drei Pfeilen stammt von dem Exilrussen Sergej Tschachotin (1883–1973) und symbolisiert die wichtigsten Gegner der Eisernen Front: die „Adelskamarilla“, die Nationalsozialisten und die Kommunisten. Doch trotz ihrer zahlreichen Mitglieder konnte die Eiserne Front an der politischen Kräftekonstellation nur wenig ändern. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 wurden die ehemaligen Funktionäre und Mitglieder des Reichsbanners systematisch verfolgt. Viele Mitglieder des Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold schlossen sich Widerstandsgruppen an und trafen sich auch nach der Gleichschaltung durch die Nationalsozialisten. Namentlich zu erwähnen sind an dieser Stelle z.B. der früher auf Reichsleiterebene tätige Theodor Haubach und Julius Leber. Haubach scharte eine größere Widerstandsgruppe ehemaliger Reichsbannermänner um sich, bevor er 1934 in das Konzentrationslager Esterwegen- Börgermoor verschleppt wurde. Nach seiner Freilassung schloss er sich dem Kreis der Helden des 20. Juli an und wäre im Erfolgsfalle des Umsturzes Minister für Presse und Propaganda geworden. Julius Leber wurde 1933 verhaftet und kam 1937 aus dem KZ Sachsenhausen frei. Auch er fand Kontakt zum Kreisauer Kreis und wäre nach dem 20. Juli 1944 Reichskanzler bzw. Innenminister geworden. Andere ehemalige Mitglieder des Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold wie Kurt Schumacher und Theodor Heuss legten nach dem zweiten Weltkrieg unbestreitbar das Fundament unserer parlamentarischen Demokratie.

Auferstehung ohne Waffen

Aber tatsächlich ging das Reichsbanner mit dem Verbot nicht für immer in der Geschichte unter. Seit 1953 kämpft das Reichsbanner als „Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold“ Bund aktiver Demokraten e.V. waffenlos für Freiheit, Demokratie und Republik. Heute sind die Zeiten des Marschierens im Gleichschritt vorbei. Das Reichsbanner vermittelt stattdessen jungen Menschen staatsbürgerliche Bildung zum Beispiel in fünftägigen Seminaren „Mit Zeitzeugen in Berlin auf den Spuren deutscher Geschichte“, an denen jährlich ungefähr 500 Schülerinnen und Schüler aus der ganzen Bundesrepublik teilnehmen. Im Gespräch mit Politikern und durch den Besuch von Bundestag und Bundesrat sowie Ministerien soll den Schülern Politik transparent erklärt werden, und im Besuch der historischen Orte und im Gespräch mit Zeitzeugen finden diese einen Zugang zum Verständnis der Deutschen Geschichte und des Wertes staatsbürgerlicher Rechte und Pflichten – viel intensiver als ihn Lehrer und Bücher je vermitteln könnten. Die Ausstellung des Reichsbanners „Für eine starke Republik! – Reichsbanner Schwarz- Rot-Gold 1924–1933“ wird an Truppenstandorten der Bundeswehr, in Schulen, Rathäusern und Landtagen gezeigt. Ebenso sind Podiumsdiskussionen mit Zeitzeugen und regionalen Politikern wichtiger Bestandteil der heutigen Bildungsarbeit des Reichsbanners.

Das Ziel des Bundes ist es, durch überparteiliche Bildungsarbeit anhand der von Diktatur geprägten Deutschen Geschichte junge Menschen für die Demokratie zu gewinnen. Das Reichsbanner setzt sich für die Sicherung der freiheitlichen und demokratischen Grundordnung ein und fordert von seinen Mitgliedern ein aktives, kritisches und demokratisches Bewusstsein sowie die Bereitschaft, die Grund- und Menschenrechte für jedermann zu schützen. Die Zeitung des Reichsbanners erscheint vierteljährlich und enthält,  neben Berichten zur Bildungsarbeit und Beiträgen zur Geschichte des Bundes, häufig auch Interviews mit hochrangigen Politikern. Das Reichsbanner heute möchte den Kampf gegen Extremisten da aufnehmen, wo Parteipolitik aufhört und der Konsens der demokratischen Parteien beginnt: Auf dem Boden eines gemeinsamen republikanischen Verständnisses und Stolzes, abseits des Parteiengezänks, und nur der Freiheit, der Republik und der Demokratie verpflichtet.

Reichsbanner Schwarz Rot Gold e.V.z.Hd. Florian W. KaiserPostfach 10 18 4460018 Frankfurt am Main

 

Erschienen in: FREIHEIT UND RECHT 2007 / 4

 

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