George Orwell und der Spanische Bürgerkrieg
von Martin Rooney
In der Geschichte des 20. Jahrhunderts gibt es wohl nur zwei Momente, in denen der Mensch dem Traum von der Freiheit sehr nahe gekommen ist. Zum einen während der Revolution Machnos gegen die bolschewistische Diktatur in der Ukraine (1917-1921) und zum anderen im Spanischen Bürgerkrieg. Es sind Versuche einer sozialen Revolution, in denen die Menschen, ohne an eine bestimmte Parteibibel zu denken, einfach das taten, was sie für richtig hielten. Von den Vorgängen in der Ukraine weiß in Deutschland bis heute kaum jemand etwas, und mit dem Spanischen Bürgerkrieg verhielt es sich auch lange so.
Es gab zwar einige Darstellungen, in denen aber Rechte wie Linke die Revolution in Spanien in überraschender Eintracht entstellten und negativ bewerteten. Eine frühe Ausnahme bildete der englische Schriftsteller George Orwell (1903-1950), der mit dem bürgerlichen Namen Eric Arthur Blair zur Welt kam. Orwell, so lässt sich aus heutiger Sicht resümieren, war ein Kind jener schäbig vornehmen Unterschicht der Oberschicht in England, die von wenig mehr zusammengehalten wurde als von bröckelnden Werten: Ehre, Ehe, anständiges Englisch, Soldatentugenden und dem Dünkel gegenüber der Unterklasse. Nachdem Orwell 1927 aus Abscheu vor dem Imperialismus den britischen Kolonialdienst quittiert hatte, hatte er beschlossen, abzusteigen. Hatte sich gebrauchte Klamotten gekauft, hatte in den Arbeitervierteln von London und Paris gelebt, war durch Südengland als Hopfenpflücker, Gelegenheitsarbeiter, Kellner und Hilfslehrer vagabundiert, hatte anschließend eine Sozialreportage über die Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise auf das nordwestenglische Kohlerevier verfasst. So verwandelte sich der Eton-Absolvent mit bürgerlichem Habitus und Akzent namens Eric Arthur Blair Stück für Stück in einen linken Schriftsteller, der sich den Namen George Orwell gab - auch äußerlich. Er war ein schlaksiger, hagerer Mann, einen Meter neunzig groß, der nun mit ein paar Hosen und abgestoßenen Jacketts durchs Leben zu kommen pflegte, selten länger als fünf Stunden schlief, weil er, trotz seiner einschüchternden Produktivität als Autor, nie das Gefühl verlor, „dass ich zuviel Zeit vertrödele“ .Orwell besaß fraglos (nicht nur in gesundheitlicher Hinsicht) eine Tendenz zur Selbstgefährdung – eine Unbedingtheit des Denkens und Handelns, die gegen sich selbst ohne Rücksicht war. Sicher ist, dass auf Orwell lost causes eine starke Anziehungskraft ausübten und er eine intensive Neigung besaß, sich mit den Schwachen und Unterlegenen zu verbinden, weil sie schwach und unterlegen waren. Der Schriftsteller bezeichnete sich als „vom Gefühl her definitiv links“, nannte sich „einen wertekonservativen Anarchisten“ Er begann die Anreise nach Spanien als Abenteuer mit einer knappen Reisekasse, weil er als Journalist zunächst Reportagen über das spanische Drama verfassen wollte, dann dort die Schreibmaschine mit dem Karabiner vertauschte und zu einem der wichtigsten Kronzeugen jener Auseinandersetzung avancierte. Er trat für eine Alternative ein, die damals in Spanien durchaus eine Chance hatte: die Position einer von Moskau (und zugleich von Trotzki ) unabhängigen sozialrevolutionären Bewegung. Denn hier in Spanien stellten sich alsbald die dringenden Gretchenfragen der Linken: Freiheit und Sozialismus, Staat und Revolution, Moskau und die Linke. Seine Erfahrungen als Milizionär im Spanischen Bürgerkrieg hat Orwell in seinem Bericht „Mein Katalonien“(1938) festgehalten, den er später als „so ziemlich das Beste, was ich je geschrieben habe“ bezeichnen sollte.
Die 1936 an die Macht gekommene spanische Volksfrontregierung hatte seit dem ersten Tag ihrer Amtsübernahme in einem Abwehrkampf gegen die Rechten der Nationalen Front - konservative Katholiken, Monarchisten, Großgrundbesitzer und Falangisten - gestanden. Im Juli 1936 hatte General Franco geputscht und von Spanisch-Marokko aus den Aufstand verkündet: „Die Verfassung der Republik ist außer Kraft gesetzt“. Dem Militärputsch gegen die fortschrittsorientierten Kräfte des liberalen Bürgertums, der landlosen Tagelöhner, der Industriearbeiter und der kleinen Bauern war eine Periode zunehmender Polarisierung der spanischen Gesellschaft vorausgegangen. Hitler schickte seine Legion Condor, Flugzeuge und Waffen, um den Putsch zu unterstützen. Mussolini beorderte 20 000 italienische reguläre Truppen und 30 000 faschistische Milizionäre nach Spanien Um nicht kapitulieren zu müssen, beschloss die Linksregierung die Volksbewaffnung und ließ Waffen an die Arbeiterorganisationen verteilen. Aus dem Aufstand der Militärs wurde in Spanien ein fast drei Jahre dauernder Bürgerkrieg. Die republikanischen Kräfte vermochten es nicht, die anfänglich große Kampfbegeisterung der Massen zu bündeln und - von einigen heroischen Verteidigungsschlachten abgesehen - militärisch zu nutzen. Die von England, den USA und Frankreich betriebene Politik der Nichteinmischung begünstigte, teilweise kalkuliert, die zunehmende militärische Unterstützung der Franco-Truppen durch Italien und Deutschland. Von Beginn an hatte dieser Kampf Symbolgehalt. Der Spanische Bürgerkrieg bildete den intellektuellen und emotionalen Höhepunkt der turbulenten dreißiger Jahre. Er wurde zu einem Medienereignis. Hunderte von (meist schlechten) Büchern entstanden. Willy Brandt, damals Linkssozialist und Verbindungsmann der deutschen Sozialistischen Arbeiterpartei (SAP) vor Ort in Spanien, nannte ihn treffend „ die erste öffentliche Schlacht gegen den internationalen Faschismus, ein Vorgefecht der großen und unweigerlich herannahenden Weltauseinandersetzung zwischen Fortschritt und Reaktion, zwischen Faschismus und Sozialismus“. Für die ganze Welt war dies die letzte ideologische und militärische Auseinandersetzung, bei der Kommunisten und liberale Demokraten gemeinsam auf der gleichen Seite gegen die rechten Feinde der Demokratie standen – und es war die letzte große Illusion der demokratischen Mitte und der gemäßigten Linken über den orthodoxen Kommunismus und die Sowjetunion.
Mit der Unterstützung der linkssozialistischen Independent Labour Party (ILP) und einem Empfehlungsschreiben ihres Vorsitzenden Fenner Brockway war Orwell über Paris und Perpignan nach Spanien aufgebrochen, wo er am 26. Dezember 1936 in Barcelona eintraf. Der Spanische Bürgerkrieg hatte auch in England bei den Linken starke Sympathien für die republikanische Seite geweckt. Insgesamt gingen 2762 englische Freiwillige nach Spanien, um gegen Franco zu kämpfen, von denen 543 getötet und 1762 verwundet wurden. In Spanien trat Orwell, unter seinem Geburtsnamen Eric Blair, der Miliz des POUM ( Partido Obrero de Unificación Marxista = Arbeiterpartei für marxistische Einheit) bei, die als das spanische Gegenstück der ILP galt. Orwells Eintritt in eine POUM-Einheit, mit der er an der aragonischen Front kämpfen sollte, war mehr zufällig. Nach seinen brieflichen Äußerungen zu urteilen, wäre er lieber zu den Internationalen Brigaden gegangen, weil sie vor Madrid die entscheidenden Kämpfe ausfochten. Wichtig ist, dass Orwell zunächst selber die von den Kommunisten verfochtene Ansicht vertrat, man könne erst von der Revolution sprechen, wenn der Krieg gewonnen sei. Eine Neubewertung der Rolle der Kommunisten im Spanischen Bürgerkrieg führte bei ihm vor allem die Tatsache herbei, dass er bald feststellen musste, dass die Abgesandten aus Moskau, Offiziere und Kommissare, mit Gewaltmethoden erreichen wollten, dass ihre Einheiten am Ende besser da stünden. Sie schanzten deshalb den Nachschub an Waffen, Munition und Ausrüstung einseitig jenen militärischen Formationen zu, die sich Moskau unterstellten.
Der Eindruck, den das zumindest nach außen hin klassenlose Barcelona auf Orwell machte, wurde durch die besonders egalitäre Struktur der POUM-Miliz noch verstärkt. Das Erlebnis der Gemeinschaft mit der Arbeiterklasse, das ihm in England versagt geblieben war, fand er, wenn auch nur vorübergehend, in Katalonien. Die durch seine Herkunft, Lebensform und Akzent geschaffenen Hindernisse existierten nicht mehr. Sozialismus, das war für Orwell nicht marxistische Orthodoxie, sondern vor allem Freiheit und menschliche Würde, prinzipielle Solidarität mit all jenen, die gar nicht erst Karriere machen (können), die außerhalb von Hierarchie und käuflicher Unverwechselbarkeit leben (müssen). Sein Sozialismus-Konzept enthielt einerseits eine sehr freiheitlich-individuelle und nonkonformistische Dimension, schloß andererseits aber das sozialistische Gemeinschafts- und Solidaritätserlebnis mit ein. Die sich überstürzenden politischen Ereignisse schlugen Orwell in ihren Bann. In Katalonien wurden die Betriebe von den Belegschaften übernommen, und selbst die Kinos von Barcelona wurden vergesellschaftet. Die Lohnunterschiede wurden drastisch verringert, und ein Höchstlohn wurde festgesetzt. „Ich war“, schrieb er in seinem Bericht, „mehr oder weniger durch Zufall in die einzige Gemeinschaft von nennenswerter Größe in Westeuropa gekommen, wo politisches Bewusstsein und Zweifel am Kapitalismus normaler waren als das Gegenteil. In gewisser Weise ließe sich wahrhaftig sagen, dass man hier einen Vorgeschmack des Sozialismus erlebte.“
Die Gründer der POUM Andrés Nin und Joaquín Maurin, hatten sich Anfang der 30er Jahre von der moskautreuen Kommunistischen Partei Spaniens (PCE) getrennt, als erkennbar wurde, wohin die Reise unter Stalin ging. Sie hielten losen Kontakt zu Trotzki, ohne jedoch dessen wechselnde Doktrinen zu übernehmen. Zahlenmäßig spielte die POUM zwischen den großen Blöcken der Sozialisten und Anarchisten zwar nur eine geringe Rolle, doch ihre Stimme besaß beträchtliches Gewicht in den intellektuellen Diskussionen der revolutionären Linken. Ihre Hochburg war Barcelona, das Zentrum des von Anarchisten beherrschten Katalonien. Bei Ausbruch des Bürgerkrieges stellte der POUM, wie die übrigen republikanischen Parteien, eine eigene Miliz auf, in der auch viele Ausländer, darunter George Orwell, kämpften. Die Kommunistische Partei Spaniens (PCE) verleumdete die linken Konkurrenten, die für die Revolution kämpfen und eine Räterepublik errichten wollten, ungerechtfertigterweise von Anfang an als „Trotzkisten“, d. h. als Verräter und somit Todfeinde. Die Stunde der Abrechnung kam mit dem Bürgerkrieg. Nachdem die Westmächte der spanischen Republik jede Waffenhilfe verweigerten, blieb ihr nur der Weg nach Moskau. Stalin half, aber er nahm gleichzeitig auch das Kommando über das leckgeschlagene Schiff. Die PCE, die vor dem Bürgerkrieg nahezu bedeutungslos war, rückte zur entscheidenden Macht der Republik auf, obwohl sie nach außen hin nur durch zwei Männer in der Volksfrontregierung vertreten war. Nichts lief mehr ohne sie, geschweige denn gegen sie. Gleichzeitig mit den sowjetischen Waffen trafen auch die „Berater“ des sowjetischen NKWD sowie die Agenten des Geheimdienstes der Komintern unter ihrem Chef General Alexander Orlow in Spanien ein. Er erhielt seine Anweisungen direkt von Jeschow und Stalin und ließ diese über ein weitverzweigtes Netz von zwischengeschalteten Institutionen und Mitarbeitern oder ergebenen Helfershelfern einspeisen. In Katalonien begannen die Sowjets sofort damit, alle, die ihnen nicht passten, aus dem Weg zu räumen.
Eben zu dieser Zeit begann in Moskau die große Säuberung mit den großen Schauprozessen gegen Sinowjew, Kamenew und Bucharin. Stalin konnte nicht dulden, dass die „Verräter“ in Spanien weiter ihr Unwesen trieben, noch dazu unter dem Mantel der Volksfront. Die Stalinisten hatten nicht das geringste Interesse an der sozialen Revolution in Spanien. Ihnen ging es nur um die Errichtung der Diktatur des Proletariats, die Eroberung des Staatsapparats, die Zerschlagung der Revolution, mit allen Mitteln. Tatsächlich waren für die freiheitliche Linke die kommunistischen Schreibtisch-Politruks wie Alfred Hertz, Erich Mielke, Wilhelm Zaisser, André Marty und Stalins Generäle wie Pawlow, Rokossowskij, Konjew, Malinowski und andere fast noch eine größere Gefahr als die Truppen Francos, gegen die man kämpfen wollte. Im Mai 1937 kam es in Barcelona, der Hochburg der Anarchisten und „Linksabweichler“, zum Showdown, zum Bürgerkrieg im Bürgerkrieg. In viertägigen Straßenkämpfen, die Hunderte von Toten und Tausende von Verwundeten forderten, wurde die Macht der unabhängigen Linken gebrochen. Anschließend begann die Hexenjagd auf alle, die gegen Stalin waren. „Die Trotzkisten“ erklärte KP-Politbüro-Mitglied Dolores Ibarruri, „müssen wie Raubtiere ausgerottet werden.“ Orwell, der 115 Tage als Soldat an der aragonischen Front gekämpft hatte und am 20. Mai 1937 durch einen Halsdurchschuss verwundet worden war, war selber Zeuge und Betroffener dieser Verfolgungsjagd des NKWD in Barcelona. Es gelang Orwell nur mit Mühe und Not und dank der Hilfe des britischen Konsuls, mit seiner Frau Eileen ungeschoren über die Grenze nach Banyuls-sur-Mer in Frankreich zu entkommen und damit dem Schicksal des ebenfalls bei der POUM kämpfenden ILP-Mitglieds und engen Freundes Bob Smillie zu entgehen, den man beim Grenzübertritt verhaftete und der in einem kommunistischen Gefängnis in Valencia starb. Nach der Zerschlagung der POUM griff die Säuberung auf die großen Massenparteien der Anarchisten und Sozialisten über. Die Anarchisten wurden aus der Regierung ausgebootet, ihre Milizen aufgelöst, ebenso die anarchistischen Komitees in der kollektivierten Industrie und Landwirtschaft. Die Sozialistische Partei, die größte des Landes, wurde nach dem Sturz Largo Caballeros gleichgeschaltet, der alte Arbeiterführer selbst unter Hausarrest gestellt. Der Wiener Kurt Landau, Mitbegründer der österreichischen KP, der polnische Trotzkist Henryk Freund, der Tscheche und frühere Sekretär Trotzkis Erwin Wolf und zahlreiche andere unbequeme Linke wurden von den Kommunisten verschleppt und tauchten nie wieder auf.
In seinem im April 1938 in London mit einer Auflage von nur 1.500 Exemplaren veröffentlichten Bericht über seine Zeit in Spanien notierte Orwell, was er erlebt und beobachtet hatte, obwohl er damals nicht wissen konnte, dass er während seines Aufenthaltes in Spanien ständig von britischen Komintern-Agenten wie Hugh O’Donnell, David Crook und David Wickes observiert worden war. Sie schickten Berichte die über den „Trotzkisten“ Orwell an den NKWD. Orwell war in seiner Darstellung um Objektivität und Genauigkeit bemüht, was für sein Buch kompositorisch auch den Nachteil hatte, dass es durch die Einfügung politischen Materials vor allem im Zusammenhang mit der Widerlegung von Vorwürfen gegen die POUM gelegentlich überfrachtet wurde. Er war überdies um ein differenziertes Urteil bemüht. So stellte Orwell fest, dass Franco eigentlich kein Faschist sei wie Hitler und Mussolini, sondern dass es ihm im wesentlichen um die Wiederherstellung des „Feudalismus“ gehe. Charakeristisch für Orwells Fairness ist, dass er die abstoßenden Züge im Verhalten der republikanischen Seite wie die Massakrierung von Nonnen oder die Verwüstung der Landgüter von Franco-Anhängern nicht verschweigt. Seine unbedingte intellektuelle Redlichkeit und seine parteipolitische Unabhängigkeit machen dieses Buch zu einem einzigartigen Zeitdokument, das weder in Francos Spanien noch im sogenannten realsozialistischen Lager jemals erscheinen durfte.
Der Spanische Bürgerkrieg war für Orwells Entwicklung ein Schlüsselerlebnis und hat auf ihn eine zwiespältige Wirkung ausgeübt. Die Erlebnisse in Spanien haben Orwell nicht nur seine politische Position finden lassen, sie haben ihm auch die großen Themen aufgezwungen, von denen er sich nicht mehr lösen konnte. Sie haben auch seine schriftstellerische Arbeit anhaltend politisiert. Auf der einen Seite machte Orwell entscheidende Erfahrungen mit einer totalitären Partei, dem Terror und der systematischen Lüge, welche die Wahrheit ganz zu verdrängen drohten. Für Orwells später sich immer mehr steigernde Furcht, dass die historische Wahrheit verloren gehen, ja dass jede wirkliche Geschichtsschreibung aufhören und selbst der Gedanke einer objektiven Wahrheit verschwinden könne, war der Spanische Bürgerkrieg von zentraler Bedeutung. Der Totalitarismus, den er schließlich im utopischen Roman „1984“ (1949) in seiner letzten Konsequenz darstellte, trat ihm hier zum ersten Mal in Umrissen entgegen. Ebenfalls machte Orwell die Erfahrung einer „verratenen Revolution“, die er in der satirischen Fabel „Farm der Tiere“ (1945) gestaltet hat. Auf der anderen Seite erlebte er jedoch Solidarität und eine menschliche Gemeinschaft ohne Klassenbarrieren, was ihn in seiner sozialistischen Grundüberzeugung bestärkte. „Ich habe“ schrieb er am 8. Juni 1937 nach seiner Verwundung in einem Brief an seinen Freund Cyril Connelly, „wunderbare Dinge gesehen und glaube schließlich wirklich an den Sozialismus, was ich vorher niemals tat.“
Die Ereignisse in Spanien ließen Orwell nicht los. Als Publizist kam er immer wieder darauf zurück. Er beschloss z.B. seinen 1942 veröffentlichten „Rückblick auf den Spanischen Bürgerkrieg“ mit einem Gedicht. Es ist eine Huldigung auf einen italienischen Waffenkameraden, den er im Lazarett getroffen hatte. In den letzten beiden Strophen hat Orwell seine Bewunderung für die Freiwilligen, die so aufopferungsvoll gegen den Franquismus und dessen deutsche und italienische Helfershelfer gekämpft hatten, und seine Abscheu vor den Verbrechen der Kommunisten zum Ausdruck gebracht:
„Bevor dein Gebein noch gebleicht sein wird Verlöscht deine Tat und dein Name sogar Und hinter der Lüge, die dich erschlug Da grinst eine Lüge, die noch schlimmer war.
Doch keine Macht der Welt löscht je aus Das Leuchten von deinem Menschengesicht Im Bombenhagel - ich habe es gesehen So geistig rein wie Kristall: Dein Licht“
(Übersetzung: Wolf Biermann)
Nach der endgültigen Niederlage der Republik am 29. März 1939 übernahm Franco als „Caudillo von Gottes Gnaden“ die Macht in ganz Spanien. Auf Anordnung des Diktators wurden zwischen 1939 und 1944 ca. hunderttausend Spanier auf der besiegten republikanischen Seite hingerichtet. Fast ebenso viele politische Häftlinge starben in diesen Jahren in den Gefängnissen an Unterernährung und mangelnder medizinischer Versorgung. Hundertfünfzigtausend flüchteten ins Ausland. Das heutige Spanien erinnert an George Orwell mit einem George-Orwell-Platz in Barcelona, der 1996 eingeweiht wurde.
George Orwell, Mein Katalonien. Bericht über den Spanischen Bürgerkrieg. Diogenes Verlag, Zürich 2003, 286 Seiten, € 10,90
Erschienen in: FREIHEIT UND RECHT 2009 / 3+4
Der Autor
Dr. Martin Rooney, geb. 1948 in Manchester. Studium der Germanistik Philosophie und Soziologie an den Universitäten Birmingham, Mainz, FU Berlin und Bremen. B.A. (Hons.) und Dr. phil.. Ab 1978 wissenschaftlicher Mitarbeiter an der North East London Polytechnic sowie an der Universität Bremen. 1. Vorsitzender der Armin-T.-Wegener-Gesellschaft 1986-1999. Seit 1990 freier Autor, Übersetzer und Erwachsenenbildner in Bremen.