Hammer, Zirkel, Hakenkreuz

Eine Auseinandersetzung mit der Glorifizierung der DDR

von Fritz E. Gericke

Die in den Blogs der Fernsehanstalten nachzulesenden Reaktionen der Zuschauer auf den Fernsehfilm „Die Frau vom Checkpoint Charlie“ sowie auf die daran anschließende Dokumentation und den Polittalk von Anne Will „Unrecht vergeht nicht“ offenbaren deutlich, dass eine Auseinandersetzung mit dem DDR-System siebzehn Jahre nach dessen Untergang mehr denn je erforderlich ist. Genau wie nach 1945 so ertönen auch heute wieder Rufe wie: „Macht Schluss mit der Vergangenheitsbewältigung“, „Einmal muss ein Schlussstrich gezogen werden“, „Wir haben heute andere Probleme“ oder „Wir müssen nach vorn blicken.“ So wichtig und richtig die Forderung ist, dass wir uns mit den Problemen unserer Zeit und vor allem mit der Zukunft unserer Kinder befassen, Gefahren rechtzeitig zu erkennen, um diese nach Möglichkeit abwenden zu können, so falsch ist die Forderung, Vergangenheit einfach Vergangenheit sein zu lassen. Es geht dabei nicht um Schuldzuweisungen, sondern es gilt die Mechanismen zu durchschauen, nach denen totalitäre Systeme funktionieren, und diese deutlich zu machen. Wer ohne Kenntnis der Vergangenheit eine Zukunft aufbauen will, läuft Gefahr, erneut populistischen Demagogen auf den Leim zu gehen, und am Ende wird wieder zu hören sein: „Das haben wir nicht gewusst“ und wenig später: „Macht endlich Schluss mit der Vergangenheitsbewegung, einmal muss ein Schlussstrich gezogen werden.“

Die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit muss zugleich eine Auseinandersetzung mit der Gegenwart sein. Relikte und Folgen des Vergangenen reichen auch noch nach Jahrzehnten in die Gegenwart hinein. Deutlich wird dies unter anderem bei Publikationen von Autoren, die wie z.B. Eva Hermann, sich bei gleichzeitiger Distanzierung von der Unmenschlichkeit der NS-Zeit auf deren angeblich nachahmenswerten Segnungen berufen. Wie familienfreundlich kann denn ein System gewesen sein, das Familien erbarmungslos auseinander riss, das Kinder ins Gas schickte, sie als medizinische Versuchskaninchen oder als Kanonenfutter missbrauchte. All diese Verbrechen verschwinden hinter einer pseudoidyllischen Fassade. Mehr als 25% aller Deutschen sind nach einer Umfrage des „Stern“ noch immer der Ansicht, dass der Nationalsozialismus auch seine guten Seiten hatte. Längst vergessen ist die „Führerrede“, in der er visionär den Lebensweg eines deutschen Jungen beschreibt, der mit sechs Jahren in die deutsche Kinderschar kommt, dann in das deutsche Jungvolk, dann in die Hitlerjugend, danach in die Wehrmacht und dann in die SA oder die SS. Und diese Rede endet unter tosendem Beifall: „Und sie werden nicht mehr frei ihr ganzes Leben.“

Ähnlich gehen wir nun auch mit der DDR-Vergangenheit um. So genannte wissenschaftliche Publikationen versuchen mit dialektischen Kapriolen vom wahren Gesicht der DDR-Diktatur abzulenken. Sie erfreuen sich eines beachtlichen Interesses. Die Auflagen dieser Bücher erreichen in Ost und West wesentlich höhere Verkaufszahlen als Bücher, die von den Opfern des Systems geschrieben worden sind oder sich auf die eine oder andere Weise kritisch mit der DDR auseinandersetzen. Die EDITION OST der Eulenspiegel-Verlagsgruppe widmet sich dieser Aufgabe in besonderem Maße. So erschienen hier 2006 unter anderem von Robert Allertz, Jahrgang 1951, Diplomjurist und ehemaliger Oberleutnant der NVA-Marine, in der dritten Auflage „Im Visier die DDR – eine Chronik“ und „Hammer, Zirkel, Hakenkreuz – Wie antifaschistisch war die DDR“ von Detlef Joseph, Professor für Staat- und Rechtstheorie em. Beide Bücher dienen zugleich der Verteidigung der DDR, wie auch der Anklage gegen die Bundesrepublik Deutschland. Während in dem Buch „Im Visier die DDR – eine Chronik“ der Zusammenbruch der DDR als Folge der Machenschaften des kapitalistischen Westens dargestellt und das DDR-System als nahezu wehrloses Opfer geschildert wird, das den Verbrechen, den Terroranschlägen und der Propaganda des Westens nicht gewachsen war, wird unter dem Postulat, die DDR sei antifaschistischer gewesen als die Bundesrepublik Deutschland, die DDR als das bessere Deutschland dargestellt. Beide Autoren greifen tief in die dialektische Trickkiste. Genauso unredlich wäre es allerdings, würde man die Bundesrepublik nachträglich so erscheinen zu lassen, als sei mit dem 8. Mai 1945 aus dem Nichts heraus eine makellose Demokratie entstanden, und das nationalsozialistische System, dass einst vom Himmel fiel, spurlos und endgültig in der Hölle verschwunden. Doch leider ist es so, dass Politiker wie Historiker beider Lager lieber auf die Fehler und Schwächen der jeweils anderen Seite zeigen, als den Mist im eigenen Stall in Augenschein zu nehmen. Für die Bundesrepublik muss jedoch festgestellt werden, dass ab Ende der 50iger die Gegenposition öffentlich mehr und mehr Gehör fand, die unter anderem in der 68iger Bewegung verkrustete Strukturen aufzubrechen suchte. Eine solche antifaschistische Massenbewegung hat es in der DDR nicht gegeben.

In dem Buch „Im Visier die DDR - Eine Chronik“ von Robert Allertz erfährt der Leser weder etwas über den Autor noch über seine Co-Autoren. Es bleibt dem Leser ebenso verborgen, ob die verwendeten Zitate das Ergebnis wissenschaftlicher Nachforschungen sind, oder ob sie nach dem Prinzip ausgewählt wurden: gut ist, was meiner Aussage nutzt? Dennoch geht wohl kaum fehl, wer schon kurz nach Beginn der Lektüre zu der Überzeugung gelangt, dass hier gezielt ideologisch indoktriniert wird, und zwar in einer Art und Weise, die ernsthafter wissenschaftlicher Arbeit Hohn spricht. Der Autor und sein Team verfahren nach der Methode „Eine halbe Wahrheit ist überzeugender als eine ganze Lüge“. Man würde wohl die Intelligenz der Autoren beider Bücher unterschätzen, würde man ihnen nur Nachlässigkeit oder gar unbewusste Schutzhaltung unterstellen. Nein, sie manipulieren den Leser bewusst, indem sie Halb-, Viertel- oder Achtelwahrheiten so auftischen, als seien sie die ganze Wahrheit. Der Leser soll sich keine eigenen Gedanken machen können, er soll vielmehr veranlasst werden so zu denken, wie die Autoren es wünschen.

Es kann und soll gar nicht bestritten werden, dass die DDR bzw. bereits die ehemalige sowjetische Besatzungszone das Ziel bewusster propagandistischer und auch geheimdienstlerischer Tätigkeiten des Westens waren. Auch gezielte Sabotageakte sollen hier keineswegs ausgeschlossen werden. Aber wer mit dem Finger auf jemanden zeigt, sollte immer bedenken, dass drei Finger seiner Hand auf ihn selbst weisen. Natürlich waren die Bundesrepublik Deutschland und die vormaligen westlichen Besatzungszonen genauso Ziel politischer Agitation, Spionage und Sabotage aus dem Osten, dabei wurde auf Menschenraub und Mordanschläge, wie sie ja inzwischen durch Gerichtsurteile aktenkundig und bestätigt worden sind, nicht verzichtet. Interessant wäre eine Untersuchung der unterschiedlichen Methoden, mit denen beide Seiten bestrebt waren, ihr Ziel zu erreichen. Eine ernst zu nehmende wissenschaftliche Arbeit muss zwangsläufig zu dem Ergebnis kommen, dass beide deutsche Staaten im Visier der jeweils anderen Seite waren, mit dem Ziel, die eigene Position zu festigen und auszubauen.

Robert Allertz aber geht es in seinem Abgesang auf die untergegangene DDR um etwas anderes. Es geht ihm auch nicht um Nostalgie. Es geht um einen ideologischen Wiederbelebungsversuch. In chronologischer Reihenfolge werden „Sabotageakte“, Brandanschläge, tatsächliche und so genannte Spionagetätigkeiten, Flugblattaktionen usw. aufgelistet, unabhängig davon, ob erwiesen ist, dass jede dieser Aktionen die Arbeit von Agenten war. So werden zum Beispiel drei Explosionen im Sprengstoffwerk Gnaschwitz, in der Zeit von September 1949 bis Januar 1950, denen insgesamt fünf Menschen zum Opfer fielen, so erwähnt, als seien sie Anschläge westlicher Agenten gewesen. Dass die katastrophalen Arbeitsbedingungen die Ursache gewesen sein könnten, wird nicht in Betracht gezogen. Vielmehr suggerieren der Titel des Buches „Im Visier die DDR“ sowie das Vorwort des Verlegers, Frank Schumann, zwangsläufig, dass es sich um Sabotageakte gehandelt haben muss. Zwar geht der Verleger durchaus kritisch mit den Defiziten der DDR um, die Ursache für ihr Ende aber sieht er dennoch nicht im System selbst, sondern im „unfairen“ Wettkampf zwischen BRD und DDR, wenn er schreibt: „Fakt aber ist, dass die Gegenseite alles unternahm, damit es zu keinem fairen Wettstreit der Systeme kam. Der ‚Gegner‘ war tatsächlich einer. Er hat nichts unversucht gelassen, dieser DDR das Licht auszublasen. Und hierzulande bliesen einige mit. Nicht immer mit Vorsatz. Aber das ist unerheblich, wenn die Kerze erst einmal aus ist. Wer oder was am vorzeitigen Tod der DDR tatsächlich Mitschuld trägt, soll mit diesem Buch chronologisch dokumentiert werden.“

In diesem Sinne werden Spekulationen, Unterstellungen und Wahrheiten hemmungslos miteinander vermischt. Wenn, wie ebenfalls erwähnt, ein junger Bauer, wahrscheinlich aus Wut, Enttäuschung oder Verzweiflung über die Zwangskollektivierung handelnd, eine Scheune anzündete, wird das so dargestellt, dass der Leser annehmen muss, der Brandstifter habe im Auftrag eines westlichen Geheimdienstes gehandelt oder aber weil sein Vater dem NS-Bauernverband angehört habe. Der Sohn wird damit als faschistischer Täter gebrandmarkt, aber auch zugleich als Opfer der Gesinnung seines Vaters hingestellt.

Alles was nicht in das Bild vom besseren Deutschland passt, wird verschwiegen. Kein Wort über die Schauprozesse, die in stalinistischer Manier Freund und Feind gleichermaßen trafen. Gleich zwei Mal wird über den Prozess gegen den Eisenbahner Ewald M. berichtet, der für den westdeutschen Geheimdienstchef Gehlen Informationen über Be- und Entladen von Gütertransporten, Fahrpläne der Reichsbahn und Telefonverzeichnisse geliefert hat. Die Höhe der Urteile und die Namen derer, die verurteilt wurden, werden wie auch in allen anderen Fällen nicht erwähnt. Eine Überprüfung des Geschriebenen wird damit erheblich erschwert, wenn nicht sogar unmöglich gemacht. In dem erwähnten Fall dürfte es sich allerdings um den Schauprozess handeln, von dem es ein Tondokument gibt, das die Prozessführung durch die Oberste Richterin, Hilde Benjamin und den ehemaligen NS-Richter und späteren Generalstaatsanwalt der DDR, Melsheimer, dokumentiert. In diesem Dokument wird deutlich, dass die Art der Prozessführung sich in nichts von Roland Freisler, dem Terrorrichter der Nazidiktatur, unterschied. Es war die gleiche Schreierei und die gleiche gezielte Erniedrigung der Angeklagten, die nicht die geringste Chance einer Verteidigung hatten.

Neben CIA und BND werden in dem Buch vor allem die „Kampfgruppe gegen Unmenschlichkeit“ (KGU) und der „Bund freiheitlicher Juristen“ für die „westlichen Machenschaften“ zur Vernichtung der DDR verantwortlich gemacht. Es entspricht den Tatsachen, dass die „Kampfgruppe gegen Unmenschlichkeit“ finanzielle und nachrichtdienstliche Unterstützung von Seiten der amerikanischen und der britischen Besatzungsmacht erhielt. Und selbstverständlich hatten diese Einrichtungen die SBZ und später die DDR im Visier. Aber warum hatten diese Einrichtungen einen so regen Zulauf aus der SBZ/DDR? Schon unmittelbar nach dem 8.Mai 1945 erfolgten durch die sowjetischen Truppen und später unter Mitwirkung der rasch wieder aufgebauten deutschen Polizei Massenverhaftungen. Am Anfang ging man im Allgemeinen davon aus, dass es sich dabei um die Verhaftung von Denunzianten oder NS-Funktionären gehandelt habe. Aber rasch kamen Bedenken auf. Zu willkürlich erschienen die Festnahmen, vor allem auch von Kindern und Jugendlichen, was heute von russischer Seite auch nicht mehr bestritten wird. Niemand wusste, wohin sie kamen. Später erfuhr man, dass sie unter dem meist völlig haltlosen Vorwurf, Werwolf-Anhänger zu sein, in Lager, wie zum Beispiel Buchenwald, gebracht worden waren. Sie blieben dort über Jahre, ohne Gerichtsverhandlung, ohne Urteil, unter wirklich grausamen Verhältnissen. Viele starben, andere trugen und tragen lebenslang an den dort erlittenen gesundheitlichen und seelischen Schäden. Und so wie man sie abgeholt hatte, so wurden sie nach drei oder mehr Jahren ohne Begründung entlassen, wobei man denen, deren Väter oder Brüder noch in sowjetischer Kriegsgefangenschaft waren, empfahl, etwas für ihre Angehörigen zu tun und zu beweisen, dass sie geläutert waren, indem sie Berichte über Freunde und Nachbarn, die möglicherweise der neuen Entwicklung kritisch gegenüber stünden, der Besatzungsmacht oder der deutschen Polizei melden. Diese Menschen fühlten sich oder ihre Angehörigen bedroht, viele suchten Hilfe bei den bereits erwähnten Organisationen oder bei den Ostbüros der verschiedenen Parteien. Wegen der sich immer weiter verschärfenden Willkür suchten andere strukturelle und auch materielle Unterstützung im Widerstand gegen die aufkeimende neue Diktatur, darunter nicht wenige, die schon dem nationalsozialistischen Terror widerstanden hatten. Doch darüber verlieren der Autor und sein Team kein Wort, und auch nicht darüber, dass alle diese Organisationen schon kurz nach ihrer Gründung sehr erfolgreich von Agenten aus der SBZ/DDR unterwandert waren. Viele Besucher der KGU oder des Ostbüros der SPD mussten bei ihrer Verhaftung erfahren, dass ihr Erscheinen bei diesen Organisationen dem Staatssicherheitsdienst mit Datum und Uhrzeit bekannt war. Also nicht nur die DDR befand sich im Visier des Westens, sondern die Bundesrepublik Deutschland befand sich ebenfalls im Visier des Staatssicherheitsdienstes der DDR und seiner Verbündeten.

Besonders perfide wird der Autor, wenn er sowohl den ehemaligen Regierenden Bürgermeister von Berlin, Ernst Reuter (SPD), einen Gegner des NS-Systems und ehemaliges Mitglied der Kommunistischen Partei, der sich unter dem Eindruck des stalinistischen Terrors zum Sozialdemokraten wandelte, wie auch Kurt Schumacher, den damaligen Vorsitzenden der SPD, der jahrelang als politischer Häftling im KZ saß, als „Parteigenossen“ bezeichnet. Zwei aufrechte Antifaschisten werden mit dem Wort „Parteigenosse“, dass eindeutig mit der NSDAP assoziiert wird, den von ihnen bekämpften Faschisten gleichgesetzt. Der Autor, sein Verlag und seine Lektoren setzen auf die geschichtliche Unkenntnis ihrer Leser. Wer, vor allem in den neuen Bundesländern, die Jahrzehnte lang von jeder objektiven Berichterstattung abgeschnitten waren, weiß denn, wer Ernst Reuter und Kurt Schumacher wirklich waren, und mit wie viel Mut sie für eine demokratische Entwicklung in Deutschland gekämpft haben?

Noch bedenklicher erscheint mir das zweite Buch: „Hammer, Zirkel, Hakenkreuz – Wie antifaschistisch war die DDR?“ von Prof. em. Detlef Josef.

Der Autor baut seine Arbeit darauf auf, dass die DDR unter der Führung der SED sich von Anfang an weigerte, „Nachfolgestaat des 3. Reiches“ zu sein. Sie zog also einen radikalen Trennungsstrich zur Vergangenheit und verstand sich von Anfang an als der antifaschistische deutsche Staat. Und einiges sprach ja auch dafür. Propagandistisch konnte die DDR bequem ausnutzen, dass in der Bundesrepublik Deutschland Männer politische Verantwortung übertragen bekamen, die alles andere als unbelastet waren. In diesem Punkt war die DDR, wenn auch nicht völlig, unbefleckt. Im Gegensatz zur DDR kam es in der Bundesrepublik jedoch, wie schon ausgeführt, immer wieder zu heftigen Protesten gegen Politiker oder Professoren, die im Dritten Reich entsprechende Positionen innegehabt hatten. Es ist allerdings unvorstellbar, dass ein Bürger der DDR aus Protest auf die Straße hätte gehen können, weil z.B. der Generalstaatsanwalt Melsheimer in der Nazizeit ein willfähriger Richter war, oder dass es einem Angeklagten oder Verteidiger möglich gewesen wäre, genau dies dem Ankläger in einem politischen Prozess vorzuhalten.

Schon im ersten Satz der Einleitung arbeitet der Autor, Prof. Joseph, mit wissenschaftlich unredlichen Halbwahrheiten. Richtig ist, dass in der Bundesrepublik vorrangig der Widerstand der „Weißen Rose“ und des „20. Juli“ zur Kenntnis besonders hervorgehoben wurde, während der kommunistische, sozialdemokratische und insbesondere der „private“ Widerstand anfangs kaum Erwähnung fand. Auch mit den Offizieren des 20. Juli tat man sich lange Zeit ziemlich schwer. Sie wurden immer wieder auch als Verräter gesehen. Ein Zustand, der bis heute nicht völlig überwunden ist. Soweit verkündet der Autor die Wahrheit. Aber dann behauptet er, in der DDR seien die antifaschistischen Kämpfer und ihre Familien von Anbeginn an hoch geachtet gewesen. Und das ist die Unwahrheit. Die staatlich anerkannten, propagierten und geehrten Widerstandskämpfer waren Kommunisten oder ihnen nahe stehende Männer und Frauen. Bürgerlicher Widerstand fand erst sehr spät und sehr spärlich öffentlich etwas Anerkennung, ebenso die Offiziere des 20. Juli. Wer Antifaschist war und entsprechend geachtet werden sollte, das beurteilte allein die Partei. Überall in den Gefängnissen und Lagern der DDR saßen Frauen und Männer, die schon zur Nazizeit politisch verfolgt waren, darunter auch Kommunisten, die gewagt hatten, sich gegen den stalinistischen Terror zu wenden.

Der Autor bleibt in seinen weiteren Ausführungen konsequent bei seiner Linie, wobei ihm sein Wirken als Wissenschaftler und sein Titel als Professor das nötige Renommee geben sollen, um möglichst keine Zweifel an seinen Behauptungen aufkommen zu lassen. Er setzt fort, was die Kommunisten nach 1945 begonnen haben: sie haben den Begriff „Antifaschismus“ besetzt und ausschließlich für sich in Anspruch genommen. Der Westen hat ihnen den Gefallen getan, darauf einzugehen, und den Begriff „Antifaschismus“ weitgehend mit Kommunismus gleichgesetzt. Dass dieses Manöver gewissen Kräften im Westen durchaus in den Kram passte, kam noch dazu. Der Antifaschismus geriet so in den Ruch der Kollaboration mit den Kommunisten, und so konnte man sich bei Bedarf leicht hinter dem Antikommunismus verstecken. Damit war der Weg frei für das Spiel, in dem sich die DDR als das bessere Deutschland darstellen konnte, weil sie mit der Vergangenheit gebrochen hatte, während die Bundesrepublik sich als Nachfolgerin des Deutschen Reiches verstand und durch den großzügigeren Umgang mit der NS-Vergangenheit hoher Partei- und Staatsfunktionäre es ermöglichte, sie immer auch ideologisch als Nachfolgerin der 3. Reiches zu deklarieren. Dass sie mit der Anerkennung, Nachfolgerin des ausgelöschten, verbrecherischen Staates zu sein, auch Schuld und Verantwortung für die Sühne der Verbrechen auf sich nahm, findet selbstverständlich in dem Buch keine Erwähnung. Die Tatsache, dass die Aufarbeitung der Ursachen des Nationalsozialismus und seiner verbrecherischen, totalitären und unmenschlichen Strukturen, bei allen Unzulänglichkeiten, in der Bundesrepublik wesentlich intensiver und nicht nur verbal erfolgte, fällt der subjektiven Sichtweise des Autors zum Opfer.

In der Auseinandersetzung der beiden Systeme wurde in der DDR „Antikommunismus“ gleichgesetzt mit „Faschismus“, während in der Bundesrepublik „Antifaschismus“ nur allzu oft mit „Kommunismus“ gleichgesetzt wurde. Eine ernsthafte Auseinandersetzung mit beiden totalitären Systemen wurde so weitgehend verhindert. An die Stelle notwendiger Aufklärung trat die propagandistische Nutzung der Begriffe. Dies geschah in der DDR wesentlich intensiver als in der Bundesrepublik. Jeder kritische Ansatz in der DDR, jede noch so geringe ideologische Abweichung wurde mit Faschismus gleichgesetzt. Deshalb kann trotz nicht zu leugnender ernsthaft aufklärender Bestrebungen in der DDR durchaus von einem „verordneten Antifaschismus“ gesprochen werden, dies umso mehr, als die objektivierenden Ansätze der Totalitarismusforschung sowohl vom Osten als auch von der dogmatischen Linken im Westen als Versuch gewertet wurden, Faschismus und Kommunismus gleichzusetzen. Detlev Joseph diffamiert die Totalitarismusforschung in der gleichen Weise. Der Schaden, der durch solche Veröffentlichungen angerichtet wird, ist noch nicht absehbar. Aber es scheint, als würde die Immunisierung gegen jedweden Totalitarismus allmählich schwächer. Es ist höchste Zeit, die Ergebnisse einer weitgehend objektiven Totalitarismusforschung in das Bewusstsein der Öffentlichkeit zu bringen.

Erschienen in: FREIHEIT UND RECHT 2008 / 3+4

 

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